Soo,...
ich weiß noch nicht so recht, wie ich anfangen soll.
Als ich mich hier vorgestellt habe und von meiner ersten Tour berichtete, da waren schon einige skeptisch, weil ich schon mit den Füßen am Boden schleife. Ich bin von Anfang an sehr anspruchsvolle Strecken gefahren, die mit Kreuzen am Wegesrand gesäat sind und das zusammen mit Leuten, die ihre Knie in den Kurven schleifen lassen.
Ja, die ersten Fahrten nach der Motorrad-Prüfung waren ungedrosselte Maschinen, mit denen ich zuweilen im öffentlichen Straßenverkehr in die Gegenspur gedriftet bin...
Mein Gott... wenn ich mich so schreiben sehe, wird mir klar, dass ich von Anfang an einen völlig falschen Weg des Motorradfahrens eingeschlagen habe, denn der würde mich geradewegs in den Tod führen.
Vielleicht hätten meine Fähigkeiten -meine Ansprüche rechtzeitig eingeholt, so dass ich nach dem "Try and Error" Prinzip schnell ein guter Fahrer geworden wäre. Aber das ist Bockmist. Denn es bedeutet: Überlebe, oder stirb bei dem Versuch. Der Einsatz ist zu hoch...
Auch meine Freunde sagten mir bei jeder Fahrt, ich solle es langsamer angehen, mir zu liebe sind sie auch langsamer gefahren. Aber ich hab das alles in den Wind geschrieben. Ich wollte einfach so schnell wie möglich besser werden. Ich wollte mit "Sieben Meilen Stiefeln" Schritt für Schritt meinen Lernprozess voran treiben. Wollte fahren wie ein junger Gott, doch war ich innerlich noch ein Küken..
Am Montag, dem letzten Tag des langen Junis und dem ersten Tag der neuen Woche, wurde es mir endlich bewusst. Und es sollte auch der letzte Tag meiner langen Überheblichkeit und der erste Tag meiner Relation sein.
Es war eine mittelschwere Rechtskurve. Der Asphalt war stark geflickt aber ohne breiten Teerstreifen (der bei Hitze eine wirkliche Gefahr bedeutet hätten).
Vor mir verschwand gerade mein Freund in der nächsten Kurve als ich in meiner gerade im Scheitelpunkt war. Geschwindigkeit war ok, Schräglage ok, Füße in der "Fußballen-Position", innen Knie leicht nach vorne mit der Hüfte gedreht, Blick nach vorne und den Ausgang der Kurve im Ziel... oder doch nicht?
Ich kann nicht genau sagen, ob mein Blick noch richtig war oder schon nach unten wanderte, bevor es mir ohne jegliche Vorwarnung das Hinterrad wegriss. Es ging plötzlich so schnell und vollkommen überraschend. Als wenn mir jemand den Hinterreifen mit voller Kraft unter'm Arsch wegreißt. Jedenfalls schaute ich dann definitiv nach unten, klammerte mich fest an mein Lenkrad und ließ das Motorrad auf mein Bein fallen (deswegen dann auch der Blick nach unten).
Ich lag in der Gegenspur als ich mich unter'm Motorrad wieder raus zog und mich kurz nach Verkehr umschaute. Aber abgesehen vom zweiten Freund, der hinter mir ganz normal zum Stehen kam, war niemand auf der Straße. Noch unter Schock richtete ich mein Motorrad mühelos wieder in die Senkrechte auf. "Alles ok?"; hörte ich meinen Freund fragen. Ich bejahte nickend und kontrollierte schnell alle Schalter und Hebel. "Scheint alles zu funktionieren"; dachte ich bei mir.
Nur Anspringen wollte das sonst so gute Kawa-Triebwerk nicht mehr. Aber mit ein wenig Nachdruck, wie es bei anderen Motoren eigentlich Standard ist, nahm auch meine ER wieder ihre Arbeit auf.
Die erste Kurve nahm ich langsamer als gewöhnlich. Doch schon nach dieser lief alles wieder flott. Ja, ich würde sogar sagen, besser als zuvor. Zwar war ich in den Rechtskurven jetzt vorsichtiger, aber da bis oben zum Berg mehr Linkskurven waren, konnte ich doch eine schnellere und bessere Fahrt verbuchen.
Oben angekommen, und alle wieder versammelt, war ich eigentlich recht glücklich über die ganze Situation. Oder besser - ich hab es mir eingeredet.
-"Es ist nichts weiter passiert. Meine Anzug und der rechte Handschuh sind in Mitleidenschafft gezogen worden und es sieht meines Erachtens ziemlich cool aus. Die rechte Seitenverkleidung ist ein wenig angehobelt, was mir erst jetzt auffällt, weil's darunter auch schwarz ist, cool. Die Hinterradbremse hat's ein wenig nach innen gebogen, was für mich gut ist, denn so ist die Gefahr, mit ihr aufzusetzen, noch geringer. Apropos Aufsetzen, warum zum Henker bin ich denn jetzt weggerutscht? Ich bin nirgendwo aufgesetzt und Fahrfehler, die dazu führen, hab' ich auch keine begangen. Ahhhh, der verfluchte D221. Hat einfach nicht mehr gewollt, das scheiß Ding, obwohl ich noch extra Luftdruck überprüft und ihn warm gefahren habe. Auch gut, jetzt fällt es mir leichter, das Geld für einen neuen Reifen liegen zu lassen der sowieso standardmäßig fällig ist. Und der Lenker? Hab' das Gefühl, er ist rechts irgendwie anders. Aber ich wollt doch eh den LSL-SuperBike-Lenker holen. Also passt alles wunderbar zusammen. Und ich? Ist mir was passiert? Nö, ich war doch jetzt sogar schneller!"-
Die Wahrheit wäre gewesen: "Gar nichts ist in Ordnung!"
Zumindest in meinem Kopf. Da war alles noch genauso beschissen wie zuvor. Nur dass da jetzt ein Knax war, den ich vor lauter Überheblichkeit nicht bemerkt hatte, aber der sich bereit machte zur Mentalen Katastrophe zu werden.
Bevor wir wieder runter fuhren, bemerkte noch jemand dass es jetzt schon der zweite Sturz auf die rechte Seite ist (der Vorbesitzer war auch gestürzt). Und fügte scherzhaft hinzu:"Aller guten Dinge sind drei." Wer hätte geahnt, dass es in wenigen Minuten Wirklichkeit werden sollte? Wer hätte geahnt, dass ich selbst in einer Linkskurve wieder rechts aufschlagen würde??
Die zwei Biker fuhren los. Ich blieb zurück. Die Maschine sprang nicht an.
Nochmal alles checken. Alles ok, nur mich beschlich irgendwie ein Panikgefühl und ich fing an zu schwitzen. Hier wurde deutlich, wie sehr ich doch dem Gruppenzwang unterlag, und ich dachte doch, ich könnte damit umgehen. Ich wollte nicht den Anschluss verlieren, wollte nicht allein fahren, spürte irgendwie, dass ich jetzt doch Hilfe brauche. Doch neben mir nur ein Fahrradfahrer der sich mit seinem Rennrad bereit machte, den Berg runterzufahren. Ausgerechnet ein älterer Fahrradfahrer, der mir zur Hilfe kam. Ich schämte mich, weil ich mir dachte, er denkt jetzt bestimmt so was wie: "Die Jugend von Heute will einfach nur Spaß haben, ohne sich dafür anstrengen zu müssen. Ich fahre den Berg noch aus eigener Kraft hoch und der kommt nichtmal mit dem Motorrad wieder runter."
Als das Fehlers Lösung der rote An-/ Aus- Schalter war (der auf "AUS" Stand) war die Peinlichkeit perfekt und ich wollte nur noch weg von ihm, obwohl er eigentlich nett war.
Ich gab bis zum Anschlag Gas. Die nächste richtige Kurve war noch weiter weg. Als sie kam bremste ich stark ab, denn es war eine 180°-Wende. Das wusste ich auch und es war kein Problem. Die nächsten zwei gingen auch locker von der Hand und meine Zweifel oben am Berg hatte ich schon wieder vergessen. Bis eine normale 90° Linkskurve kam...
Der mentale Riss in meinem Kopf sprang schlagartig auseinander und zerstörte dabei alles, was ich zuvor an Können und Zuversicht aufgebaut hatte. Plötzlich holte mich die Realität ein und es war, als würde ein schöne Fassade auseinander sprengen und dahinter die verkommene Bauweise ans Tageslicht rücken... und alles stürzt ein!
Nur noch Panikgedanken schossen durch meinen Kopf. Ich hatte furchtbare Angst, wie ich da auf die Kurve zufuhr. Ich dachte, ich wäre zu schnell, dachte, ich wäre schon einmal fast in der Kurve gestürzt.
Ich dachte daran zu bremsen. Tat es aber kaum. Ich dachte daran, mich in die Kurve zu legen. Tat es aber kaum.
Ich fiel zurück in die primitivste Bremsmöglichkeit und versuchte, mit den Füßen mein Motorrad zu stoppen!?! Alles in meinem Kopf hat versagt und ich konnte nur noch auf die ältesten Urinstinkte zurück greifen.
So schlug ich mit einer leichten Linkskurve und fast ungebremst in die Erdwand vor mir ein. Diese war nicht mal einen Meter vom flachen Bordstein entfernt. Durch das abrupte Abbremsen, ausgelöst durch den Erdwall, flog ich natürlich über den Lenker. Aber nicht lange, nur soweit, bis auch mein Helm die Wand erreichte. Danach rutschte ich mit der Kawa das Stück wieder runter, das ich hoch geschleudert war. Hab die ER einfach nicht loslassen wollen. Habe auch erst den Unfall nicht wahr haben wollen. Es war wie ein Alptraum. Als ich dann abstieg, waren meine ersten fragenden Worte, an die ich mich erinnern kann: "Was tu' ich denn da? Was hab ich nur getan?" Das weiß ich noch gut, denn ich war wirklich verzweifelt und ratlos. Nach einem Moment der Stille kam auch die Wut. Ich hörte wie die Motoren der anderen weiter unten brüllten, und so brüllte dann auch ich meine Wut raus.
Dann der Radfahrer von oben. Ich hatte schon förmlich auf ihn gewartet. Denn um den Berg runterzukommen, musste er den gleichen Weg nehmen wie ich. Er kam angerollt und wirkte nicht gerade überrascht. Auf die Frage hin, wie es passiert ist, gab ich meinen Blackout an. Dass ich schon beim Hochfahren leicht gestürzt bin und sich das auf Psychischer Ebene jetzt ausgewirkt hatte. Auch das überraschte ihn nicht so, wie ich es erwartet hätte. Er selber hatte so eine spontane Blockade auch mal. Bestimmt schon 1000 mal sei er den Berg runtergefahren, sagte er, als er ohne ersichtlichen Grund in einer Kurve einfach gerade aus fuhr und in die Leidplanke raste. Beinahe hätte ihn dabei ein Auto mitgenommen. Das hat mir zu denken gegeben. Bitte fragt mich jetzt nicht warum oder haltet mich gar für schadenfroh, aber irgendwie hat mich seine Geschichte beruhigt. Und ab da konnte ich endlich wieder klar denken.
Großen Dank an den Fahrradfahrer, der doch ganz anders war als ich Idiot dachte.
Ab hier brauche ich jetzt eigentlich nicht mehr weiter erzählen. Bin dann irgendwie noch mit der Maschine nach Hause gekommen. Freunde kamen natürlich zur Hilfe. Werde auch noch einen anderen Thread aufmachen, wegen Reparatur-/ Umbau- Fragen und so weiter. Habe auch Fotos gemacht und werde wohl auch noch die zwei Kurven fotografieren und hier reinstellen. Edit1 Fotos sind weiter unten Edit2 Unfall Schaden