Hi all,
die ersten 3000 km sind fast rum und ich will Euch an meinen Erfahrungen mit der Versys – guten und weniger guten – teilhaben lassen.
Kurze Beschreibung meiner Warte: Bin nach mehr als 25 Jahren ohne Motorrad eigentlich kein Wiedereinsteiger mehr, sondern fast schon wieder Anfänger. Mein „Testbericht“ hier basiert also nicht auf langjährigen Vergleichserfahrungen mit anderen Bikes.
WARUM VERSYS?
Habe viele Bikes probegefahren. Überzeugt hat mich die ER6n. Als dann die Versys rauskam war die Entscheidung klar. Kaufargumente: 2 Zylinder mit druckvollem Motor auch aus dem Drehzahlkeller, aufrechte Sitzposition, leicht, wendig, ABS und – nicht zu vernachlässigen – die mir sehr zusagende Optik. Außerdem: Nicht zuviel Leistung, denn ich kenne meine Neigung zum Rasen. Vorzug vor ER6n wegen wertigerer Ausstattung und besserem Windschutz. Auch beim darauf sitzen habe ich mit der Versys „mehr Motorrad unter dem Hintern“.
WIE BIN ICH GEFAHREN?
Die ersten 350 km sehr verhalten, danach stetig mit mehr Drehzahl. Dies entsprach nicht nur dem Willen, das Moped gut einzufahren, sondern auch der langsam wieder zunehmenden Sicherheit und Beherrschung des Fahrzeugs. Ich bin ein typischer Schön-Wetter-Fahrer – kein richtiger Alltagseinsatz. Habe jetzt mehrere ausgedehnte Touren hinter mir, darunter über 800 km in 2 Tagen Weserbergland und Harz. Davon 200 km Autobahn zurück mit Dauertempo 160 bis 195 km/h (Tacho) sowie Fahrt in strömendem Regen und sogar etwas Schneefall (dies ist die andere Seite des Mopedfahrens – die Hände sind mir fast abgefroren).
POSITIVE ERFAHRUNGEN
Insgesamt sehr, sehr positiv. Motorradfahren macht einfach großen Spaß. Und die Versys besonders. Natürlich war ich beeindruckt, wie viel druckvoller sich die 1000er Cagiva Raptor eines Freundes fährt, aber bis ca. 150 km/h (der Bereich, in dem sich eigentlich alles auf der Landstraße abspielt) wird er mich mit seinen über 110 PS nicht wirklich los. Außerdem ist die Versys auch in den Kurven sehr agil.
Auch wenn der „Angststreifen“ insbesondere meines Vorderrades noch breiter ist, als die von mir gefühlte Schräglage, fährt sich die Versys sehr wendig. Bei der 1000er Inspektion hatte ich wieder eine ER6n als Leihmotorrad und habe festgestellt. Die ER6n ist noch handlicher und durch den niedrigeren Schwerpunkt und die etwas stärker nach vorn geneigte Haltung auch einen Tick mehr vorderradorientiert und sportlich. Dafür empfinde ich die Versys als etwas gelassener, überlegener – sie braucht weniger Drehzahl, um bspw. beim Überholen sofort richtig loszulegen. Ich kann in diesem Zusammenhang vollumfänglich die vielen positiven Testberichte bestätigen: Der Versys-Motor ist richtig klasse.
Sehr gut ist auch der Benzinverbrauch und die damit verbundene Reichweite. Tanken macht richtig Spaß. Nach dem Einfahren ist der Benzinverbrauch nochmals runter gegangen. Bei zügiger Landstrassenfahrt mit vielen Vollgas-Überholvorgängen kommt man trotzdem selten über 5 L/100km. Minimalverbrauch war bisher 4,2 L. Bei besagter Autobahnhatz (direkt von Tankstelle zu Tankstelle und davon die letzten 80 km heftiger Gegenwind) waren es allerdings 6,8 L (die mitgefahrene Cagiva hat über 7 L gebraucht, obwohl der Motor lange nicht so gefordert wurde).
NEGATIVES
Gravierend sind die sehr nervenden Windgeräusche durch das Windshield – egal in welcher Rasterposition (bin 1,81 m und fahre einen Shoei XR 1000 mit Whisperkit). Das kann ich bisher nur durch Demontage des Shields oder Ohrstöpsel abstellen. Ich werde solange mit Zubehörscheiben oder anderen Neigungswinkeln testen, bis das weg ist. Solange fahre ich mit Ohrstöpseln (übrigens: Die grünen Teile bei meinem Kawahändler sind wesentlich wirksamer als die beiden gelben Sorten, die man in Apotheken bekommt).
Zu diesem Punkt sollte ich ergänzen: Ich bin sehr geräuschempfindlich.
Für mich positiv und negativ zugleich sind die sehr „moderaten“ Motorgeräusche. Die Versys ist vergleichsweise leise. Etwas mehr tiefes Bollern aus dem Auspuff würde die gefühlte Leistungsentfaltung sicher noch deutlich verbessern. Leute, die darauf besonderen Wert legen, können hier wahrscheinlich mit anderen Auspufftöpfen nachhelfen. An den Sound eines großvolumigen V2 wird die Versys aber wohl nie rankommen.
Was mir auch missfällt sind die oftmals harten Schaltvorgänge und –geräusche vor allem beim Einlegen des ersten und zweiten Gangs. Mein Kawa-Händler meint, dies sei normal. Ich kann dies mangels Vergleichs nicht gut beurteilen.
Unglücklich finde ich den „Mini-Bordcomputer“: Wenn man die Tageskilometer sehen will, dann ist die Uhr weg etc. Ergo: Zusatzuhr, aber wohin damit?
ZUBEHÖR
Hinterradabdeckung: Ich habe die von Bodystyle/Fechter (unlackiert gefällt mir optisch am besten). Wie hier im Forum berichtet, lässt die Funktion im Regen zu Wünschen übrig. Der Schmutz wird an die Unterseite der Sitzbank geschleudert und verteilt sich von dort gleichmäßig über den hinteren Bereich des Motorrades. Ich nehme an, Abdeckungen, die weiter über das Rad reichen, wirken besser. Nach den Fotos zu urteilen ist dies bspw. bei der Abdeckung von Poly der Fall.
Tankrucksack: Es passen nicht viele. Da der Tank zur Sitzbank hin stark abfällt. Zudem ragt der Lenker bei vollem Einschlag ein wenig über vorderen Bereich des Tanks. Zudem scheiden wegen der seitlichen Tankverkleidung aus Plastik auch Magnetrucksäcke aus, die „Magnetflügel“ haben. Schließlich ist es wegen des hohen Risers sehr mühsam einen Riemen am Lenkkopf zu befestigen. Zuerst habe ich den großen mit dem Quicklock-System von Polo probiert. Der ist sehr teuer und passt wegen des Lenkers nicht. Letztendlich habe ich bei Lois eine billige sehr gut passende Variante gefunden. Er ist größenverstellbar, sitzt aufgrund von sechs sehr großen Magneten auch ohne Lenkkopfgurt sehr fest und ist derzeit (natürlich erst nach meinem Kauf) im Sonderangebot für 17 EUR (Link)(http://www.louis.de/_10fa43d854810…tnr_gr=10025338). Den Lenkkopfgurt habe ich mit einem Teppichmesser abgeschnitten.
Zubehörscheiben: Die Varioscreen-Zubehörscheibe von Kawasaki (Hersteller MRA) reduziert den Winddruck erheblich, ist aber noch lauter als die Serienscheibe. Ich habe sie daher zurückgegeben und warte darauf, die hohe Givi-Scheibe ausprobieren zu können.
Ganganzeige: Mein Händler hat die Acuman-Ganganzeige in das Amaturenbrett integriert. Der Einbauort gefällt mir gut. Leider kann ich zur Funktion noch nichts sagen, da sie seinerzeit mangels Versys-Schaltplan noch nicht angeschlossen werden konnte.
Kettenoiler: Ich brauche einen, weil schon an meiner Dax die Kette entweder viel zu trocken ist oder ich zuviel fette und die Kette daher verdreckt. Mein Händler hat mir den Scott-Oiler empfohlen. Der Einbauort ist nicht leicht zu wählen. Unter der Sitzbank ist wenig Platz. Der Vorratsbehälter müsste dann fast liegend montiert werden und könnte somit wenig Kettenöl aufnehmen. Eine offen sichtbare Montage hat mir nicht gefallen. Wir haben uns daher für die Integration in die linke Cockpitverkleidung entschieden (siehe Bild). Die Verstellung ist mit dem Zeigefinger gut erreichbar. Die Befüllung erfolgt über den Entlüftungsschlauch, der mittels einer Klemme in der rechten Cockpitverkleidung versteckt ist (hat mein Händler wirklich gut gelöst). Bisher ist die Funktion gut, d.h. fast keine Spritzer auf die Hinterradfelge und die Kette ist nicht zu trocken.
Steckdose: Benötige ich für das Navigationsgerät, das ich einfach in das Kartenfach des Tankrucksacks lege. Einbauort ist die rechte Cockpitverkleidung wie im Bild zu sehen.
Sturzpads: Die von GSG passen optisch gut und sind durch jeweils zwei Aufnahmepunkte solide befestigt. Zum Glück noch kein Funktionstest durchgeführt.
Bobbins: Die Aufnahmen für den Hinterbaumontageständer hat mir der Händler kostenlos montiert. Es erscheint mir sinnvoll, sie dauerhaft zu montieren, denn die Gewinde in der Aluschwinge werden durch Witterung, Schmutz und oftmaliges Rein- und Rausdrehen auch nicht besser.
Kotflügelverlängerung vorn: Ich warte noch immer auf die Lieferung von Pyramid Plastics.
FAZIT
Wenn ich die Geräusche durch die Scheibe in den Griff bekäme, wäre ich vollständig zufrieden. Dies ist eine sehr positive Bewertung, denn ich bin sehr kritisch. Ich freue mich schon auf die einwöchige Alpentour im Sommer, denn schon der Harz hat gezeigt: Versys-Kurvenfahren macht süchtig.
Gruß
Armin
P.S. Das mit dem Bilder einfügen war mir jetzt zu kompliziert. Ich hoffe, meine Beschreibungen sind auch so aussagekräftig.