Hallo Ihr Glücklichen!
Ich versuche gerade mit meinen neuen/anderen Umständen klar zu kommen. Manchmal hilft mir Schreiben dabei. Ich verstoße hoffentlich mit diesem länglichen Post nicht gegen Eure Regeln. Wenn doch pfeift mich bitte zurück. Also, in media res:
Jetzo hat's mi' erwischt, deshalb hörts mei' Geschicht'!
Jahrelang war ich gefeit gegen Motorräder und diese Sehnsüchte nach ein bisschen Freiheit. Aber da kam letzten September/Oktober meine Frau zu mir mit einem Bild einer Messe-Vorstellung einer grünen Kawasaki im Sportteil unserer Tageszeitung.
"Die würde mir gefallen." meinte Sie. "Mmpf !?!" war meine erste Reaktion. Bloß kein Interesse entwickeln, es konnte/sollte/durfte ja nicht sein. "Du arbeitest zu viel ... brauchst Abwechslung ... " und so ähnlich ging es weiter. Schließlich lies ich mich zu einer Bemerkung hinreißen. "Ja, die gefällt mir." - und in Gedanken 'Hey, die gefällt mir wirklich!'
Verdammt! Nie hat mir ein Auto oder irgendein motorisiertes Gefährt gehört. Fühlte mich in dieser Exklusivität sogar wohl, und habe dafür manch irritierte und verwunderte Blicke geerntet - mir diesen Stil leisten zu können, noch dazu bei uns auf dem Land. Naja, hier gibt es ehrlich nicht all zu viel wo man hinfahren könnte, nur die Gegend ist halt schön. Manchmal fast so schön, wie in meinem geliebten Bayerischen Wald.
Ergo, folgte dem meine Zwiesprache:
'Es darf nicht sein!'
'Bei drei Nachbarn brummen auch Motorräder.'
'Führerschein ist 25 Jahre her, keine Übung!'
'Hier die Gegend erkunden, wäre schön.'
'Hält mich von der Arbeit ab.'
'Brauche eigentlichkein Motorrad!?'
'Die Kleine ist wirklich schön!'
Die Zeitungsseite wird aufgehoben, wandert jedoch irgendwann versehentlich ins Altpapier. Weg ist sie. 'Das war ein schönes Töff.' trauern die Gedanken. Tage später: "Du, ich hätte nichts dagegen, wenn Du wieder Motorrad fährst." Oh, geliebte Ehefrau mir würde es auch nichts ausmachen! Ich würde vorsichtig sein, war nie der ungestüme Typ, einfach bei schönem Wetter ab und zu mal für eine Stunde rauskommen, abschalten, die Seele baumeln lassen.
Verdammt, meine Frau unterminierte meine Einstellung immer weiter.
Welches Maschinchen war es denn eigentlich in dem Zeitungsartikel? Eine Kawasaki? Ja, Kawasaki! Hatte ich nicht auf einer 440er Kawasaki Chopper meinen Führerschein gemacht? War das nicht ein schönes, sonores Brummen zwischen den Beinen! Schade, war damals noch Schüler, Vater schon lange tod, Mutter hatte allein ein Haus gebaut, wenig Geld, keine Not. Ziele: Abitur, Wehrdienst überstehen, Studium. Vielleicht irgendwann eine Freundin haben, nur wie soll das klappen ohne Auto im Bayerischen Wald?
Den Dreier- und Einser-Führerschein hatte ich selbst gezahlt. Hatte damals nicht einmal ein Moped, nur mein Fahrrad. Warum habe ich eigentlich den Motorradführerschein mitgemacht? Der riss damals ein großes Loch in meine geringen Ersparnisse. Nie hätte ich mir ein Motorrad leisten können, geschweige denn einen PKW. Ab und zu lies mich ein Freund eine Runde auf seinem Motorrad fahren, lieh mir seinen Helm. Meine Handschuhe, Schuhe, Jacke, Hose waren nur für Fußgänger geeignet. Danke Gott, kein Unfall geschah.
Später im Wehrdienst mußte ich 210 km per Bahn nach Hause fahren. die direkte Strecke auf der Straße betrug nicht einmal 70 km. 'Ich brauche nicht viel, der Sold könnte für ein Fortbewegungsmittel reichen. Ab und zu könnte ich dann unter der Woche nach Hause fahren, statt nur am Wochenende. Statt fünf Stunden Bus und Bahn bräuchte ich bloß eine Stunde auf der Straße. Aber jetzt im Winter ein Auto anschaffen? Lieber warte ich auf den Frühling, dann reicht ein Motorrad oder ein Mokick aus. Ein Mokick fährt nur 80 km/h, ist aber viel billiger als ein Motorrad. -das könnte ich mir leisten.'. Der Frühling kam, aber das Geld reichte nur für den einfachsten fahrbaren Untersatz und schon gar nicht für ordentliche Schutzkleidung. 'Bald beginnt das Studium, da muss ich auch fahren, bekomme aber keinen Sold mehr, Wo bekomme ich dann das Geld für das Benzin her? Mit guter Schutzkleidung könnte ich auch im Herbst und Frühling fahren. Vielleicht sogar ab und zu im Winter. Die paar Monate bis zum Studium warte ich noch mit meiner Entscheidung.'
Schließlich fuhr ich doch mit Kommilitonen, zahlte Benzingeld, hatte das schlechte Gewissen zur Last zu fallen.
Es war nicht schön in Freundschaften nur zu nehmen und nicht geben zu können. Aber es klappte all die Jahre, danke Freunde!
Und das Studium? Mann, ging das schnell vorbei. Irgendwann lernte man dort vieles über Thermodynamik, chemische Reaktionen, ... konnte die ganzen Vorgänge in den verschiedensten Motoren herunterbeten, aber das Gefühl so einen Motor zwischen den Beinen zu haben, ihn mit einem Drehung der Hand zum Leben zu erwecken, war längst aus der bewussten Erinnerung verschwunden. Bei den ersten Erfahrungen einer Tauchausbildung kam dieses Gefühl der Freiheit nochmal auf. Aber das war anders als damals auf dem Motorrad, kontrollierter, abhängiger, gezwungener - schon wegen dem Tauchpartner für den man Mitverantwortung trug.
Dann folgte der erste Job, die erste Arbeitslosigkeit, der Aufbau einer eigenen Existenz und Familie, Vater werden, Haus bauen, Bäume pflanzen ... und nun dieser immer wiederkehrende Gedanke 'Das war ein schönes Töff.'.
Hin und wieder erscheint meine Frau mit weiteren Motorrad-Neuheiten aus der Zeitung bei mir. Nur, zünden tun diese Zweiräder nicht mehr, auch bei ihr nicht. "Die erste war die Beste." Aua, tut das weh. Ich hab's vermasselt, die Zeitungsseite weggeschmissen.
Tagelang geht die Arbeit zäh voran. Und irgendwann gibt man Kawasaki bei Google ein, findet die Internet-Seite von Kawasaki. Da, die Töffs! Die Freude, die Aufregung steigt! Da sind sie! ... ABER DA IST SIE NICHT!!!
Vielleicht interessiert die/der eine oder andere die folgende Ver-/Entwicklung. Wenn ja, Fortsetzung folgt.