Auch wenn es jetzt schon eine halbe Ewigkeit her ist, dass dieses Thema begonnen wurde, hier mal eine Antwort auf die Einstiegsfrage.
Grundlegend hat sich ja nichts geändert.
Du bist absoluter Neuling, noch ohne Schein?
1) lern Mopped fahren
2) lern Mopped fahren
3) lern Mopped fahren - so nach 20.000 km bis 30.000 km solltest Du es halbwegs können.
Klingt blöd, ist aber mal Grundvoraussetzung, dass ein Tuning Sinn macht. Bis dahin kann die ER6 so viel mehr als Du überhaupt ahnst.
Wenn du dann noch die richtigen Sportsocken brauchst und die Rasten hochlegen musst, dann wird dich ein Tuning schneller machen.
Aber wenn du deiner ER6 trotzdem etwas mehr Leistung einhauchen möchtest ist das kein echtes Problem. Der Motor hat reichlich Reserven.
Was bedeutet Motortuning überhaupt?
Um bei gleicher Drehzahl mehr Leistung zu haben, muss schlicht mehr Gemisch in den Zylinder. Optimal, wenn es auch noch das bestmögliche Verhältnis von Benzin zu Luft hat. Das ist vom Grundsatz her eigentlich alles. Schwierig und teuer ist nur die Umsetzung.
Zur ER6:
Die ER6 / Bj. 2006 soll laut Kawa am Getriebeausgang 72 PS bei 9.000 U/min haben. Hat sie aber nicht. Gemessen habe ich bei meiner mit 26.000 km 68 PS bei 8.000 U/min. Fehlen schon einmal 4 PS oder runde 6%.
Lösung:
Eine billige Lösung für ein paar hundert Euro nennenswert mehr Leistung zu bekommen gibt es nicht, wer so was verspricht lügt und will meistens was verkaufen.
Der Motor der ER6 ist deutlich auf Durchzug ausgelegt. Er hat sein Max. Drehmoment bei ca. 7.000 U/min und eine Max. Drehzahl von knapp 11.000 U/min. Diese hohe Spreizung verdeutlicht die Auslegung. Das wurde von Kawa über die Steuerzeiten der Nockenwellen und die recht geringe Verdichtung gemacht.
Tuningstufe 1:
Kauf dir einen Powercommander V und einen BMC Luftfilter. Das Ganze einbauen und von einem, der wirklich was davon versteht auf dem Prüfstand abstimmen lassen. Das Ergebnis wird dich überraschen. Kosten liegen so bei 1.000,- € bis 1.300,00 €. Was genau da an Mehrleistung rauskommt, kann ich nicht sagen, habe es noch nicht gemacht.
Wenn Du anfangen willst zu basteln, würde ich als erstes die Ansaugrohre in den Luftfilterkasten neu und größer machen. Natürlich vor der Abstimmung auf dem Prüfstand. Ein guter Dämpfer aus dem Zubehörhandel wird auch hilfreich sein. Akrapovic macht sehr ordentliche Dämpfer (kostet so um die 500,00 €).
Tuningstufe 2:
Zylinderkopf demontieren und die Werksseitigen "Nachlässigkeiten" beheben. Jeder Übergang und jede Kante vor allem Im Ansaugtrakt kostet Füllung und damit Leistung. Kostet wenig Geld, man muss aber wissen, was man da tut. Wer nur die groben Übergänge bereinigt und Kanten entfernt, erreicht einen hohen Prozentsatz des möglichen und kann nicht wirklich was kaputt machen. Als Werkzeug reicht hier ein Dremel mit Fräsern und Lamellenschleifern.
Tuningstufe 3:
Erhöhung der Verdichtung. Dafür gibt es Kolben aus dem Zubehörhandel, so um die 300,00 € für den Satz. Ich werde demnächst Kolben aus der ZX12R probieren, die sollten eigentlich passen und haben eine Verdichtung von 1:12,5. Dazu kommen noch die neuen Dichtungen. Hier ist dann sicher zu stellen, dass sich Kolben und Ventile im OT nicht berühren, sonst braucht du einen neuen Motor, zumindest aber erhebliche Teile eines solchen.
Tuningstufe 4:
Jetzt wird es spannend. Damit der ER6-Motor oben rum deutlich mehr Leistung hat, müssen die Steuerzeiten geändert werden. Ziel ist es bei hohen Drehzahlen den Füllungsgrad zu halten. Wie viel Gemisch drinnen ist, erkennt man an der Drehmomentkurve. Meine im Umbau zum Racebike befindliche ER6 habe ich im Originalzustand am Hinterrad wie folgt gemessen: 7.000 U/min => 58,73 Nm / 58,54 PS, 11.000 U/min => 27,56 Nm / 42,16 PS. Also ein Rückgang der Füllung um 53 %! Wenn ich bei 11.000 U/min die gleiche Füllung im Zylinder hätte wie bei 7.000 U/min, wären dass 91,73 PS am Hinterrad. Das entspricht um die 100 PS am Getriebeausgang. Ändern der Steuerzeiten bedeutet jedoch dass Du die Nockenwellen auf ein passendes Profil umschleifen lassen musst. Dann natürlich noch so einbauen, dass die Steuerzeiten mit Überschneidung usw. passen und das Ganze selbstverständlich auf dem Prüfstand hinsichtlich Einspritzmenge und Zündzeitpunkt abstimmen. Ach ja, ein Auspuff aus dem Zubehörhandel, oder ein Eigenbau mit einem Dämpfer aus einer 1.000er ist obligatorisch. Die sekundären Drosselklappen baut man natürlich aus und verschließt die Bohrungen der Achse. Ordentlich abgestimmt sollte der Motor auch ohne unten herum akzeptabel funktionieren.
Alles, was über den Einbau eines Powercommanders und dessen Abstimmung auf dem Prüfstand hinausgeht, macht auf der Straße wenig Sinn und ist richtig teuer. Für einen ER6-Motor mit an die 100 PS am Getriebeausgang musst Du eine hohe 4-stellige Summe veranschlagen. Da steht dann in diesem Motor kein Stein mehr auf dem anderen. Ein Motor mit um die 80 PS wird sicher mit 2.000,- €, eher 3.000,- € in den Büchern stehen.
Ich gebe ein paar Hunderter aus und habe dann richtig Leistung? Sorry, das stammt aus einem Verkaufsprospekt oder deinen wildesten Träumen. Die Realität sieht leider anders aus.
Und ganz am Rande. So ein Motor sollte dann zumindest eine ZX10R Gabel mit den entsprechenden Bremsen und ein hochwertiges Zubehörfederbein im Fahrwerk vorfinden. Pirelli Supercorsa SP oder vergleichbare Socken sollen auch vorhanden sein. Sorry, aber so ist es nun einmal.
Und noch weiter an Rande. Du kannst einen solchen Motor legal auf die Straße bringen, erfordert nur ein neues Abgasgutachten und eine Einzelabnahme beim TÜV. Wenn dieser positiv gestimmt ist, geht es ohne neues Lärmgutachten. Sind wieder so geschätzte 2.000,00 €.
Bessere Nachrichten habe ich leider nicht.