Obwohl die Autobahnen die sichersten Verkehrswege in Deutschland darstellen (relativ wenig Unfälle bezogen auf Speed, Fahrzeugaufkommen und gefahrene km), sind die dort stattfindenden Unfälle in den meisten Fällen sehr bitter.
Fragt sich doch, warum der o.g. Unfall sich so abgespielt hat. Ich möchte mal den Versuch einer kleinen Analyse dieser durchaus beispielhaften Situation starten...
Rekapitulation: BAB mit 3 Spuren, LKW Fahrer von rechts will auf die Mittelspur zwecks Überholen eines vor ihm befindlichen, langsameren KFZ. Der Brummi übersieht einen dort fahrenden PKW (160 hm/h), welcher widerum instinktiv von der Mitte auf die linke Spur ausweicht bzw. ausweichen muss. Der dort parallel befindliche Biker hatte keine Chance...
Aufgrund von Zeitdruck wird heutzutage jeder Brummi versuchen mit maximalen Speed seine Strecken abzufahren. Dies sind genau 89 km/h. Ab 90 km/h werden moderne LKWs vom Bordcomputer abgeregelt, bzw. ab +10 km/h gibt's unnötige Probleme bei der nächsten Polizeikontrolle. Sobald ein Brummifahrer ein Fahrzeug vor sich hat, dass weniger als 89 km/h drauf hat, MUSS man davon ausgehen, dass dieser jederzeit mit einem Überholvorgang beginnen wird. Mit anderen Worten: Erst diesem Brummi "längere" Zeit studieren um sein Fahrverhalten zu ergründen, bevor man selbst zum Überholen ansetzt. Hinweis: Dies entbindet den Brummifahrer natürlich nicht von seiner Schuld an diesen Unfall.
Auf der Autobahn gilt eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Dieser Wert ist natürlich nicht willkürlich festgelegt worden, sondern hat schon seinen Sinn. Je schneller wir fahren, desto eher werden wir von vorausfahrenden KFZ aufgrund von Toten Winkeln etc. übersehen. Ich selbst habe schon einen 40Tonner beim Auffahren auf die Autobahn in den Spiegeln nicht gesehen; konnte aber noch rechtzeitig zurücklenken. Seitdem weis ich, was ein Toter Winkel tatsächlich für Auswirkungen haben kann. Obwohl erlaubt, war unser PKW mit 160 km/h auf der Mittelspur - objektiv gesehen - wahrscheinlich zu schnell unterwegs, denn meiner Vermutung nach war nicht genügend Zeit vorhanden, um die Intention des LKW-Fahrers auf der rechten Spur zu erahnen, bzw. das Fahrzeug vor dem LKW wahrzunehmen. Vermutlich wurde das vorausfahrende KFZ visuell vom LKW verschluckt, weil dieser zu weinig Abstand zum Vordermann hatte (was typisch für Brummis ist...). Mit etwas weniger Speed seitens des PKW hätte der LKW-Fahrer vielleicht diesen erkannt, bzw. der PKW hätte rechtzeitig abbremsen können, um eine Kollision zu vermeiden (anstatt auszuweichen). Mit anderen Worten: Der Fahrer des PKW hat den Ratschlag aus §1 StVo (defensive, bzw. vorausschauende Fahrweise) nur unzuzreichend beachtet.
Den kleinen Fehler des PKW-Fahrers hat unser Biker anscheinend/unglücklicherweise getoppt. In einer unklaren Verkehrssituation wie oben ein Überholmanöver mit mehr als 160 km/h durchzuführen, birgt enorme Risiken in sich. Das traurige Ergebnis sehen wir leider immer wieder in solchen Nachrichten. Ich selbst hätte mich erstmal zurückgehalten und abgewartet, bis der PKW den LKW überholt hätte, bevor ich selbst den Gashahn weiter aufdrehen würde (sofern ich keine Einsicht in den Fahrbahnbereich vor dem LKW hätte).
Wie auch immer, hiermit bestätigt sich eine alte Fahrlehrerregel: Nur wenn zwei Verkehrsteilnehmer gleichzeitig einen Fehler machen, kommt es zu einem Unfall. In der Regel registriert/vermutet einer von beiden den Fehler des anderen und verhält sich entsprechend. Ein Unfall wird durch passende Maßnahmen verhindert. Dies passiert Tag für Tag milliardenfach auf unseren Strassen. Dieser Umstand ist so häufig, dass wir ihn selbst schon gar nicht mehr bewust wahrnehmen. Es gibt sowieso nur drei Gründe für Unfälle (technische Defekte mal weggelassen): zu schnell, zu wenig Abstand, nicht aufgepasst...
Die Situation gestaltet sich natürlich ganz anders, wenn vor dem LKW kein anderes KFZ gewesen wäre. Dann hätte der Brummifahrer keinen Spurwechsel gemacht usw. usf.... Auf der anderen Seite ist dies ein typisches Beispiel dafür, wie schnell ein kleines Detail eine "normale" Situation in ein tragisches Unglück verwandeln kann.
Fazit: Alle drei Unfallbeteiligten haben den gleichen Fehler begangen (natürlich mit jeweils unterschiedlicher Intensität): Fehleinschätzung der Verkehrssituation aufgrund von mangelnder Beobachtung. Die Gründe dafür sind natürlich vielfältig:
- keine Zeit für Details gehabt weil zu schnell unterwegs
- nur einmal geguckt, anstatt mindestens zweimal wie gefordert
- nicht alle relevanten Verkehrsteilnehmer bewertet/beobachtet
- Fahren unter Zeitdruck / emotionalen Druck
- etc.
Diesbezüglich sollte jeder für sich selbst seine eigene Gedanken zum folgenden Prinzip machen: Nur ein vorausfahrendes Fahrzeug überholen, wenn man genau weiss, was sich vor diesen befindet. Vorteil: Weniger Schmerzen... Nachteil: Das kostet eventuell für uns Biker eine Menge Fahrspass. Aber diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen.
"Jeder Unfall ist ein weiterer zuviel..."